Zur Herkunft der Familie Czakai

Der älteste mir bekannte Czakai war Johann Czakay, der um das Jahr 1700 Bauer in Kzienzowiesch war, einem Dorf im ehemaligen Kreis Groß Strehlitz in Oberschlesien, das im 20. Jahrhundert in die Nachbarstadt Leschnitz eingemeindet wurde. Einige Nachkommen Johanns blieben in dem Dorf und leben noch heute dort, andere zogen nach Leschnitz oder weitere Nachbarorte und wieder andere trieb es mit der Industrialisierung ins oberschlesische Industrierevier (Gleiwitz, Beuthen, Zabrze usw.). Mit dem Jahr 1945 kam es dann, dass ein Teil der Familie ihre Heimat verließ und ins heutige Bundesgebiet floh. Der andere Teil blieb in Oberschlesien und entschied sich für Polen. Die polnische Schreibweise des Namens ist Czakaj. Heute gibt es ca. 60 Czakajs und Czakais in Polen und ungefähr genauso viele in Deutschland.

 

 

Zur Herkunft meines Familiennamens

 

Die Familie Czakai stammt aus Oberschlesien, also dem heutigen südöstlichen Polen (Woiwodschaft Oppeln/Opole). Alle mir bekannten Czakais lassen sich auf diesen Ursprung zurückführen. Doch woher stammt der Name nun ursprünglich?

 

Die Schreibweise ist slawisch, genauer gesagt: polnisch. Es fällt die Ähnlichkeit zum häufigen polnischen Familiennamen Czekaj auf. Dieser Name lässt sich als Imperativ des Verbs czekać (warten) übersetzen. Wenn man im Urlaub also jemanden hinter seinem Hund „Czekaj!“ („Warte!“) hinterherrufen hört, dann muss das kein Bekannter sein; er fordert lediglich sein Haustier auf, seinen Bewegungsdrang zu dämpfen.

 

Obwohl der Name Czekaj besonders in Süpolen (vor allem in Kleinpolen) auftritt und in Oberschlesien (mit Ausnahme des Industriereviers) eher selten ist, ist es doch sehr wahrscheinlich, dass beide Namen einen gleichen genealogischen Ursprung haben. Nur etymologisch sind sie miteinander verwandt, da „Czakai“ mit a im mährisch-oberschlesischen Mischdialekt dasselbe bedeutet, wie „Czekaj“ mit e (czakać statt czekać). Immerhin handelt es sich bei Oberschlesien um eine Grenzregion zwischen deutschem, polnischem und tschechischem Sprachraum mit einem eigenen Dialekt.

 

Zudem treten meine frühesten bekannten Czakai-Ahnen in den Quellen (um 1700) in unterschiedlichen Schreibweisen auf: Czakay, Czakaj, Czakej und sogar Czekay lassen sich finden. Das zeigt, dass es sinnlos ist, den Namen anhand einer Schreibweise zu untersuchen. Vor der Einführung der Standesämter (in Preußen 1874) gab es keine einheitliche Form des Namens. Wohl keiner meiner Czakai-Ahnen im 18. Jahrhundert konnte seinen Namen schreiben, und wenn doch, dann wäre das die Ausnahme. Ein früher Verwandter – Pfarrer Laurentius Liborius Czakay – unterschrieb um 1730 selbst mit “Czekay”.

 

Der Schlüssel zu allem muss daher die Phonetik sein, da sich diese nicht ändert, es sei denn der Name würde in einem längeren Prozess durch andere Dialekte seinen ursprünglichen Klang verlieren. Es ist also unerheblich, wie der Name geschrieben wird, solange man ihn phonetisch “tschakai” wiedergeben kann. Die Betonung liegt auf der ersten Silbe. Wäre ein Czakai, der seinen Namen nur aussprechen aber nicht schreiben kann, vor 200 Jahren z.B. nach Sachsen gezogen, würde er dort eventuell Tzschakei, in Frankreich Tchakaï usw. geschrieben werden.

 

Und tatsächlich ist mein erster Hinweis auf den Familiennamen in einer deutsch geschriebenen Quelle in Oberschlesien von 1604 in der Schreibweise „Tschakey“ überliefert – also weit entfernt von der heutigen Schreibweise. Der Ort dieser Erwähnung (Slawentzitz) und die Wohnorte meiner frühesten Czakais (Kzienzowiesch und Scharnosin) sind nur ca. 10 km voneinander entfernt. Doch leider ist die Quellenlage im Oberschlesien des 17./18. Jahrhunderts überaus schlecht und daher ist es unwahrscheinlich, dass sich eine direkte, nachvollziehbare Verbindung zwischen diesem frühesten Fund und meiner Familie finden lässt.

 

Der Name Czakaj taucht auch als Ortsname in Oberschlesien auf. So wurde bereits im Slawentzitzer Urbar von 1595 ein wüster Teich erwähnt, der nach seinem Besitzer Tschackey hieß. Heute heißt ein Waldstück in der Nähe von Kaltwasser (Zimna Wódka) Czakaj, das ebenfalls vom Namen seines Besitzers abgeleitet ist. Und die heute zu Kattowitz (Katowice) gehörenden Vororte Stary und Nowy Czekaj hießen um 1900 noch Alt und Neu Czakaj und sind nach dem Müller Mateusz Czekaj/Maciej Czakoj benannt, der dort zu Beginn des 18. Jahrhunderts lebte.

 

Trotzdem hält sich innerhalb der Familie das hartnäckige Gerücht, der Name sei ungarischen Ursprungs. Legenden von einem angeblichen Soldaten während des Dreißigjährigen Krieges machten die Runde. In diesem überaus unwahrscheinlichen Falle könnte man Parallelen zu den ungarischen Namen Csákai oder Csákay ziehen, die es noch heute in Ungarn gibt und die phonetisch fast genauso wie unser Name hier ausgesprochen werden. Bei diesen Namen handelt es sich um Herkunftsnamen. Das –i oder –y am Wortende drückt aus, dass das vorangegangene Wort ein Ort ist, aus dem der Namensträger stammt. In unserem Fall könnte man also übersetzen: „Der Mann aus Csáka“. Bei diesem Csáka handelt es sich wahrscheinlich um den Ort Čaka in der heutigen Slowakei, der aber früher zu Ungarn gehörte und auch von einer ungarischen Minderheit bewohnt wurde. Dennoch bin ich sicher, dieses Gerücht spätestens durch den Namensfund von 1604 (also vor dem Dreißigjährigen Krieg) widerlegt zu haben.